Wolfgang Pfeifer

Kerb in Strötzbach

Die Stretzbicher Kerb,
die Stretzbicher Kerb,
die Stretzbicher Kerb is do,
woas soin die Leit so froh,
woas soin die Leit so froh.

In meinem Geburtsort Strötzbach gab es in meiner Jugendzeit zur Kerb (Kirchweih) den alten Brauch des "Kerbbock abholen". Nun da ich schon lange dort nicht mehr wohne, habe ich einige alte SW-Negative aus dieser Zeit entdeckt und bearbeitet.
An meine Zeit als Kerbboschd kann ich mich noch ganz gut erinnerrn. Zum Ende der Schulpflicht (damals früher als heute) wurde man als Jugendlicher zum Kerbboschd (Kerbgbursche). Mir ist in diesem Zusammenhang auch nur der männliche Begriff geläufig, die Frauen mögen mir das verzeihen. Man war dann für die Durchführung der Kerb verantwortlich und am Kerbwochenende von Donnerstagabend bis Dienstagmorgen eingespannt und auch mehr oder weniger alkoholisiert. Es war in der Zeit noch ein richtiger Initiationsritus in das Erwachsenenleben. Am Donnerstag fand in der Dorfgaststätte eine Vorbesprechumg statt, bei der die Veranstaltung geplant und die Aufgaben verteilt wurden. Am Freitag und Samstag waren dann frische Äste zum Schmücken des Kerbwagens und der Kerbstrauß zu besorgen, der Wagen und der Kerbstrauß mussten geputzt werden und last not least musste der Kerbbock, eine lebensgroße mit Stroh ausgestopfte Figur, erschaffen werden.
Am Samstagabend fand dann schon eine Feier im Saal der Gaststätte statt. Dabei tranken die Kerbboschd mit Suppenschöpflöffel das Bier aus einem 10-Liter-Eimer.
Am Sonntag fand dann das Hauptereignis, das Kerb abholen, statt. Dazu war der Kerbbock irgendwo in der Landschaft sorgfältig versteckt worden, denn die Burschen aus den Nachbardörfern waren immer darauf aus, den Kerbbock zu stehlen und ihn gegen Lösegeld (meist alkoholische Getränke) wieder zurück zu geben. Das Pferdefuhrwerk mit dem geschmückten Wagen fuhr vor, beladen mit Bier und mit Kuchen für den Ortsvorsteher und den Bürgermeister. Die Kerbboschd hatten allerlei Werkzeug wie Hacke, Schaufel, Pickel, Meilenmaß, etc. dabei. Und schließlich war auch der Kerbsprecher mit dem Kerbstrauß, seinem Zylinderhut und dem Geschichtsbuch dabei. Er las dann vor: "1873 wurde die Kerb 35 Meilen Richtung Memersch begraben." Der Kerbboschd mit dem Meilenmaß (Dachlatte) fing dann an abzumessen: "eins, zwei, ..." und die Prozession folgte. War das Ziel erreicht, gruben die restlichen Kerbboschd an der Stelle mit Hacke und Schaufel, um den Kerbbock auszugraben, der da aber nicht begraben lag. Das ging dann einige Etappen so weiter, bis man schließlich an die Stelle kam, wo der Kerbbock versteckt war. Er wurde freudig in den Pferdewagen geladen und man machte sich auf den Rückweg zur Gaststätte mit Abstecher zum Ortsvorsteher und dem Bürgermeister, denen jeweils ein Kuchen überreicht wurde. An der Gaststätte angekommen, hielt der Kerbsprecher eine Rede, in der er insbesondere auf Ereignisse des Letzten Jahres in der Ortschft einging und bei der er auch kein Blatt vor den Mund nahm. Danach wurde der Kerbbock entladen und an der Außenwand des Saales angebracht, in dem im Anschluß gefeiert wurde.
Am Montag traf man sich dann wieder zum Feiern. Es nahte das baldige Ende der Kerb, das Begräbnis des Kerbbocks. So gegen 4 Uhr am Dienstag Morgen bgann die Begräbniszeremonie. Der Kerbbock wurde auf einen Handwagen gepackt und mit möglichst viel Lärm (Schelle, Gesänge, Litaneien) quer durch die Ortschaft gefahren.

An einige der nicht immer politisch korrekten Sprüche erinnere ich mich noch:
Der Kerbenboch, der Kerbenbock, das ist ein Bock der Kerben bockt.
Zicke zacke zicke zacke hoi hoi hoi, riwwer niwwer riwwer niwwer noi noi noi.
Bene dictum bene dactum, in Afrika laufe die Weiwer nackt rum.

Litanei (Vorbeter - alle):
Schelle Siebter - Nix fer uns
Schelle Achter - Nix fer uns
Schelle Neuner - Nix fer uns
Schelle Zehner - Nix fer uns
Schelle Unter - Nix fer uns
Schelle Ober - Nix fer uns
Schelle Kenig - Des is wenig
Schelle Aha-ass - Das wär waha-as
Die Litanei ging dann mit Herz, Schippe und Eichel weiter...

Morgens gegen 6 Uhr fuhr man dann zum Strötzbacher Bahnhof, um dort bei der Einfahrt des Frühzuges (Bembel der KVG) den Kerbbock auf dem Bahnsteig zu verbrennen.

Wenn Sie weitere Informationen zur Strötzbacher Kerb oder Erinnerungen an diesen alten Brauch haben, dann würde ich mich freuen, wenn Sie mir eine E-Mail schicken.

Die Fotos hier entstanden einige Jahre später Mitte der 1970er Jahre an einem verregneten Sonntag.

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Aufgenommen mit der guten alten Minolta SR-T 101. Die alten, schon etwas angestaubten und körnigen SW-Negative habe ich mit einer Digitalkamera abfotografiert und in Lightroom in Positive umgewandelt.

Wie ich dem Internet entnehme, gibt es auch im neuen Jahrtausend diesen Brauch noch. Siehe dazu:
Kerbgesellschaft Strötzbach
Markt Mömbris: Traditionelle Veranstaltungen